Gastbeitrag: Wanka fordert weniger befristete Stellen : Datum: , Thema: Aktuelles
Bundesbildungsministerin Wanka fordert die Universitäten auf, mehr dauerhafte Stellen für Professoren zu schaffen. Der wissenschaftliche Nachwuchs brauche verlässliche Entwicklungsmöglichkeiten, schreibt sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Der Beitrag im Wortlaut.
"Das deutsche Wissenschaftssystem kann sich international sehen lassen. Das illustriert der diesjährige Chemie-Nobelpreis, der nicht nur Anerkennung für Stefan W. Hell persönlich ist. Er zeigt auch die Wertschätzung des Nobel-Komitees für unser Wissenschaftssystem, in das wir im vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich investiert haben. Das Beispiel von Stefan W. Hell ist deshalb so eindrücklich, weil hier ein deutscher Forscher in Deutschland, am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, beste Bedingungen für seine Spitzenforschung findet und scheinbar unwiderstehliche Angebote aus dem Ausland abgelehnt hat. Die Exzellenzinitiative, der Pakt für Forschung und Innovation und die gezielte Forschungsförderung haben einen wichtigen Anteil an dieser Entwicklung.
Ideen- und Impulsgeber unseres Wissenschaftssystems sind junge Forscher, die neues Wissen aufbauen und es später an die Studenten weitergeben. Sie sind eine Ressource, die es zu pflegen gilt. Will die Wissenschaft auf Dauer kluge und kreative Köpfe für sich gewinnen, muss sie ein attraktiver Arbeitgeber sein und sich der Konkurrenz zur Wirtschaft und zu ausländischen Hochschulen stellen. Wer wählen kann, wird die Rahmenbedingungen vergleichen: Forschungsumfeld, Karrierechancen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gute Nachwuchswissenschaftler erwarten, dass sie zu Beginn ihrer Karriere wissen, unter welchen Voraussetzungen sie künftig arbeiten können. In den Fokus der öffentlichen Debatte sind dabei die befristeten Verträge geraten. In der Tat gibt es teilweise Praktiken, die nicht in Ordnung sind. Wenn Mitarbeiter etwa nach ihrer Qualifikationsphase immer wieder ein- oder zweijährige Verträge bekommen – ohne klare Perspektive.
Wer daran wirklich etwas ändern will, darf sich allerdings nicht der Illusion hingeben, es gäbe einfache Lösungen. Befristete Beschäftigungsverhältnisse liegen in der Natur der Wissenschaft, die flexibel und offen für Neues bleiben muss. Promotionsvorhaben oder Drittmittelprojekte sind auf Zeit angelegt und dementsprechend auch die Dauer von Beschäftigungsverhältnissen. Der Zugang zum Wissenschaftsbetrieb muss offen bleiben für die nächste Generation. Daher geht die Erwartung an die Politik fehl, die Vertragsgestaltung in der Wissenschaft lasse sich doch ganz einfach gesetzlich in den Griff bekommen. Mit dem „Wissenschaftszeitvertragsgesetz“ ist es immerhin gelungen, konkrete Probleme anzugehen. So ist zum Schutz junger Eltern in der Qualifizierungsphase klar geregelt, dass sich imFalle von Elternzeit der Arbeitsvertrag automatisch verlängert.
Über weitere Änderungen werden wir bei der anstehenden Novellierung des „Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ diskutieren. Mir ist dabei wichtig, dass bei Drittmittelbefristungen die Vertragslaufzeit grundsätzlich der Dauer der Mittelbewilligung entspricht. Zu pauschale Einschränkungen von Befristungsmöglichkeiten richten aber mehr Schaden an als dass sie Nutzen stiften. Sie sind mit der Gefahr verbunden, dass interessante Arbeitsplätze an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die Sprungbrett für eine dauerhafte Beschäftigung in der Wissenschaft und außerhalb der Wissenschaft sein können, gestrichen oder gar nicht erst geschaffen werden.
Die eigentliche Herausforderung ist eine andere. Die Zahl der Studenten hat sich seit 2005 um rund ein Drittel erhöht. Seitdem sind 6000 neue Stellen für Professoren geschaffen und ebenso viele Lehrbeauftragte eingestellt worden. So ist es vor allem durch die Pakte gelungen, die Betreuungsrelation trotz der massiv gestiegenen Studentenzahlen stabil zu halten. Es werden aber weiterhin zu wenige reguläre Positionen für Professoren sowie selbständig forschende und lehrende Wissenschaftler angeboten. Auch Stellen für Forschungsmanagement oder Personalentwicklung werden zuweilen befristet vergeben, obwohl es sich oft um Daueraufgaben handelt. Der wissenschaftliche Nachwuchs braucht besser planbare, verlässlichere und transparentere Entwicklungsmöglichkeiten. Der Wissenschaftsrat hat dies in seiner im Juli 2014 verabschiedeten Empfehlung zu Karrierezielen und Karrierewegen an Universitäten hervorgehoben.
Was also tun? Gefordert sind zunächst die Hochschulen selbst. Längst geben besonders innovative den Takt vor, indem sie sogenannte „Tenure-Track-Modelle“ schaffen, in denen eine Professur zunächst befristet besetzt wird. Bewährt sich der Professor und erfüllt vorab festgelegte Kriterien, ist eine dauerhafte Übernahme gesichert. Auf diesen Weg sollten sich noch viel mehr Hochschulen machen. Sie müssen sich aber auch stärker um diejenigen kümmern, die den Sprung auf eine Professur nicht anstreben oder nicht schaffen. Sie brauchen ein Personalentwicklungskonzept und eine systematische Beratung ihres Nachwuchses. Hochschulleitungen und Personalverantwortliche müssen es aus Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten zur Priorität machen, rechtzeitig Wege in andere Berufe zu ebnen. Der Orientierungsrahmen der Hochschulrektorenkonferenz zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses muss konsequent in die Tat umgesetzt werden.
Hochschulen, die für den Nachwuchs attraktive Bedingungen anbieten, werden über kurz oder lang im Wettbewerb um die Besten ihres Faches klar im Vorteil sein. Dabei sollten die Länder eine fordernde und fördernde Rolle spielen. Die Länder sind für die Grundfinanzierung der Hochschulen zuständig, die dringend erhöht werden muss. Bei dieser Aufgabe werden sie vomBund nachhaltig unterstützt. Die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat vorausgesetzt, wird der Bund den Länderanteil am Bafög vom1. Januar 2015 an komplett übernehmen. Allein dadurch werden die Länder jedes Jahr um rund 1,2 Milliarden Euro entlastet, die sie gemäß der politischen Vereinbarung insbesondere für Hochschulen einsetzen sollen. Weitere neue Spielräume bei den Ländern entstehen, weil der Bund von 2016 an den Aufwuchs in den Haushalten der außeruniversitären Forschungseinrichtungen allein tragen wird. Die Länder bekommen also langfristig Geld für Dauerstellen. Diese erheblichen zusätzlichen Mittel müssen nun auch insbesondere den Hochschulen zugutekommen. Ich kenne die finanziellen Herausforderungen der Länder aus eigener Erfahrung und nehme sie sehr ernst.
Die Länder haben seit 2005 die Aufwendungen für die Hochschulen um 26 Prozent gesteigert. Die Investitionen des Bundes sind allerdings im gleichen Zeitraum um 118 Prozent gewachsen, obwohl auch der Bundeshaushalt der Schuldenbremse unterliegt. Wir brauchen heute Investitionen in die Hochschulen, weil wir jetzt diejenigen ausbilden, die wir in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts und später dringend brauchen. Wenn wir den guten Nachwuchswissenschaftlern, die wir heute haben, keine Perspektive bieten, werden wir sie morgen händeringend suchen.
Der Bund hat den Ländern geholfen, mehr und verlässlichere Karrieremöglichkeiten zu schaffen. Wo der Bund direkten Einfluss auf Personalplanung hat, nutzt er ihn. Genannt sei hier das erfolgreiche und auf Dauerstellen angelegte Professorinnenprogramm, das von Bund und Ländern Anfang 2013 verlängert wurde. Auch haben sich Bund und Länder mit den großen Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, die Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft) im Pakt für Forschung und Innovation darauf verständigt, „die Besten dauerhaft für die deutsche Wissenschaft (zu) gewinnen“. Die seitdem gestarteten Initiativen müssen aber weiter energisch verfolgt werden.
Der wissenschaftliche Nachwuchs ist Schatz und Stütze unseres Wissenschaftssystems. Ein gemeinsamer Kraftakt, ein intelligentes und abgestimmtes Zusammenwirken der Hochschulen mit den Ländern und dem Bund, bietet die Chance, Karrierewege anzubieten, die verlässlich sind und zur Herausbildung von Forscherpersönlichkeiten beitragen – von der Doktorandin bis zum Nobelpreisträger."